Als im Mai 2007 in Braunschweig das Fanprojekt startete, stieg die Eintracht gerade nach einer chaotischen Saison, mit fünf verschiedenen Trainern und zahlreichen hektischen Spielerkäufen, in die dritte Liga ab, in der man sich seit 1983 am häufigsten aufgehalten hatte.

So begann unsere Arbeit in einem, im Vergleich zu heute, relativ unprofessionellen Umfeld. Auswärtsfahrten waren fast Familienausflüge und man hatte recht schnell Kontakt zum harten Kern der Fanszene. Die Medien hatten Eintracht nicht im Focus und wir konnten uns langsam an die Arbeit gewöhnen. Wir begannen mit 75.000 € Jahresetat und 1,5 Stellen. Inzwischen sind wir immerhin bei zwei Vollzeitstellen und einem 15 h Mitarbeiter.

Damals gab es wenig feste Strukturen. Von Standort zu Standort waren die Bedingungen anders und die Akteure von Verein, Polizei, Ordnungsdiensten und Fanbetreuung agierten völlig unterschiedlich. Dies führte häufig zu Problemlagen, in denen wir vermittelten, deeskalierten oder Informationen sammelten und weitergaben. Wir leisteten in den ersten Jahren überwiegend Netzwerkarbeit. Unsere Angebote beschränkten sich auf Fanturniere und Feiern oder das Organisieren von Auswärtsfahrten mit dem bewährten Team von Kurvenmutti Christel Neumann.

Auf Florian Bachmann folgte im Fanprojekt Team Ralf Dieter Meier, der leider so schwer erkrankte und dessen Platz dann Jörg Seidel einnahm. Alle Mitarbeiter über die Jahre, auch Olaf Kraus und jetzt Ralf Schönherr, Brigitte Wauer sowie Hanna Lauter, die hier ihr Anerkennungsjahr absolvierte und Murat Korkmaz haben sich ausnahmslos den besonderen zeitlichen und oft wirklich anstrengenden Herausforderungen gestellt und unter ungewöhnlichen Arbeitsbedingungen mitgezogen.

Im ersten Jahr des Fanprojekts stellte Eintracht Braunschweig auch eine Fanbeauftragte ein und das Fanprojekt fungierte als Anleiter, da Janka Heitmann sich in der staatlichen Anerkennung zur Sozialpädagogin befand. Als ihr Nachfolger Jan Marek erkrankte, übernahm das Fanprojekt für ein Halbes Jahr, ohne viel Aufhebens, seine Arbeit mit.

Dies war sozusagen der Grundstein zu einer sehr nahen Zusammenarbeit mit den Fanbeauftragten von Eintracht Braunschweig, denn wir haben uns immer als Team verstanden und hatten immer ein gutes Verhältnis zum Club. Inzwischen haben sich die Tätigkeiten immer mehr spezialisiert und ausdifferenziert, aber das gute Verhältnis ist geblieben.

Das ist an vielen anderen Standorten ganz anders, weil man hier auch schnell in eine Art Konkurrenz Situation im Buhlen um die Zuneigung der Fanszene kommen kann. Manche Clubs mögen ihre Fanprojekte auch überhaupt nicht, weil diese ihnen gegenüber nicht weisungsgebunden sind.

Die Erwartungen von Fanszene und auf der anderen Seite den verschiedenen Spieltagsakteuren, klafften und klaffen heute noch, häufig diametral auseinander. Wir merkten schnell, dass klassische Sozialarbeit oder Jugendarbeit, mit der Arbeit in einem Fanprojekt nur am Rande zu tun hat. Es gab und gibt auch wenig fachliche Unterstützung, weil sich eigentlich niemand mit Methoden der „pädagogischen“ Arbeit mit Fanmassen wissenschaftlich und inhaltlich beschäftig.

Dieses Feld wird dominiert von Sicherheitsaspekten, Sicherheitsarchitektur und oft von medialer Hysterie, die letztlich ein Zerrbild der Wirklichkeit liefert. Immer wieder wurden in der Folge das Verhältnis und die Zusammenarbeit mit der Polizei bundesweit zum maßgeblichen Thema von Fanprojekten. Das war auch wichtig, aber zu dominant.

Wir haben von Beginn an die Idee verfolgt, dass die Fans ein Gremium bräuchten und eine Vernetzung innerhalb der Fanszene, um mit den anderen Akteuren auf Augenhöhe in den Dialog treten zu können und haben deshalb immer darauf hin gewirkt, dass sich ein Fanparlament und ein Fanrat gründet. Dieser ist heute ständiges Mitglied des verstetigten Dialogs mit dem Verein.

Von Anfang an kämpften wir mit mangelhafter Finanzierung und unpassender Verortung. Es dauerte bis Dezember 2012, bis wir endlich das Fanhaus beziehen konnten und damit einer Grundanforderung nach dem nationalen Konzept Sport und Sicherheit gerecht wurden. Der Dank, dass dies möglich wurde, gilt vor allem Eintracht Braunschweig. Ohne den Club hätten wir heute noch kein FanHaus. Auch wenn die sich immer wieder verzögernde Fertigstellung an die Nerven ging und dann ein halbes Jahr nach Eröffnung (Am ersten April!!!) das Dach wegflog und der Wasserschaden eine erneute Bauphase nach sich zog.

Die Arbeitsanforderungen – die Vernetzung und Professionalisierung mit einhergehenden Institutionalisierungen von Arbeitskreisen, Besprechungen, Tagungen und Abläufen – haben in den zehn Jahren extrem zugenommen, nur die personelle und finanzielle Ausstattung der Fanprojekte hält damit nicht Schritt und war ohnehin schon immer prekär. Wir sind an einem Punkt angekommen, wo die Teilnahme an Tagungen zu einer finanziellen Frage geworden ist. Wir haben hier ein Bein zum Stehen und eines, um mehrere immer wieder aufflammende Feuer auszutreten und vorwärts zu paddeln. Das alles ging nur mit unserem kreativen Unternehmergeist und großer Selbstständigkeit. Beides haben wir unserem Träger dem AWO Kreisverband zu verdanken, in Person von unserem Geschäftsführer Gunter Kröger und unserem Vorstand mit Klaus Peter Bachmann an der Spitze. Es ist uns gelungen trotz hoher Belastung das Projekt „Lernort Stadion“ nach Braunschweig zu holen, welches sich mittlerweile in der ganzen Region Südost-Niedersachsen als angesehenes Bildungsprojekt etabliert hat.

Im Rahmen unserer Fanhochschule haben speziell in diesem Projekt bis heute ca. 2500 Kinder und Jugendliche mit ihren Lehrern an diesem einwöchigen Trainingslager zur niedrigschwelligen Demokratie Schulung teilgenommen. Nach der fünfjährigen Förderung durch die Robert Bosch Stiftung und der Bundesliga Stiftung, konnte die Weiterführung dieses Jahr durch die Eintracht Braunschweig Stiftung, Aktion Mensch und Bundesliga Stiftung für zunächst drei weitere Jahre gesichert werden.

Wir haben mit Eintracht Braunschweig gemeinsam das Aktionsjahr für Toleranz, Vielfalt und Respekt, mit über 12 Einzelmaßnahmen entwickelt, geplant und durchgeführt. Die Förderung wurde durch Pfiff, den Pool zur Förderung innovativer Fußball und Fankultur gesichert. Ziel war hier Kinder und Jugendliche über den Fußball für eine antidiskriminierende Haltung und Orientierung zu sensibilisieren.

Wir haben mit dem Staatstheater Braunschweig, im Rahmen der Themenwoche INTERKULTUR, ebenfalls gefördert durch Pfiff, „Fußballfans machen Theater“ mit mehreren Einzelveranstaltungen entwickelt und durchgeführt. Herauszuheben ist hier das Theaterstück „Eintracht ist unser Leben“ und die Fanchor Meisterschaft.

Das FanHaus wird sehr gut angenommen und ist jetzt schon viel zu klein, sowohl für viele Anforderungen und Bedürfnisse der Fans und als auch für die Umsetzung unserer Projektarbeit. Es mangelt uns grundsätzlich nicht an Ideen, sondern an Ressourcen. Das bedeutet, Personal und Ausstattung sind nicht angemessen und Projekte sind nicht umsetzbar. Dies alles vor dem Hintergrund einer vergleichsweise großen Fanszene. Wir bewegen uns im bundesweiten Vergleich zwischen Fördersummen von 120.000 € bis zu 500.000 € Jahres-Etat für ein Fanprojekt.

Wir liegen also nach wie vor am unteren Ende der Nahrungskette, das gilt für Niedersachsen im Allgemeinen, aber auch im internen Landesvergleich liegen wir 100.000 € hinter dem Spitzenreiter Wolfsburg auf Platz drei. NRW stellt für Fanprojekte eine Million Euro pro Jahr zur Verfügung, Niedersachen 151.000 €.

„Was machen sie eigentlich beruflich?“ „Deinen Job möchte ich haben … kostenlos Fußball schauen!“ Das sind zwei Standart Aussagen, die wir immer wieder hören. Vieles ist nach außen nicht sichtbar und dass kann man auch einmal deutlich sagen, eine 60 Stunden Woche ist bei uns nicht selten. Und oft sind auch keine zwei aufeinanderfolgende freie Tage möglich. Vor allem aber haben wir immer noch Spaß an der Arbeit und der Fußball ist ein einmaliges, ganz spezielles Arbeitsfeld mit vielen Emotionen und tollen menschlichen Begegnungen.

Neben den sportlichen Themen bestimmen immer wieder Problemlagen und negative Ereignisse die öffentliche Wahrnehmung. Das es Vorgänge gibt, die nur schwer zu verstehen oder destruktiv sind, ist unbestritten. Allerdings dominieren aus unserer Sicht sehr viele positive Dinge dieses komplexe Arbeitsfeld. Junge Menschen, die sich organisieren und viel Zeit und Energie aufbringen, die sich identifizieren, die immer wieder karitative Aktionen starten, die für andere da sind.

Das ist das Gegenbeispiel für vieles was man über „die Jugend“ oder „die Ultras“ heute oft sagt. Überhaupt prägt Fanszene Gemeinschaft, ein Gemeinwesen, tief verwurzelt in Stadt und Region. Gehen sie mal mit der Kurvenmutti bei der Metro einkaufen… Sie kommen keine drei Meter weit ohne zweimal angesprochen, begrüßt und abgeklatscht zu werden. Sogar die sonst verbindlichen Preise können sich dann schlagartig verändern.

In unserem Auftragsbuch steht Prävention als eine Hauptaufgabe. Ein großes Wort, verbunden mit einem hohen öffentlichen Anspruch und einer großen Erwartungshaltung. Diese Präventionsarbeit im Sinne von Vorbeugung zu den Themen Gewalt, Drogen und Alkoholmissbrauch, Diskriminierung und Extremismus, soll natürlich sicht- und messbare Ergebnisse präsentieren. Diese Erwartung und dieser Anspruch sind aus unserer Sicht und bezüglich unserer Alltags Erfahrung vollkommen unrealistisch. An Spieltagen deeskalieren, intervenieren und vermitteln, das kann funktionieren.

Ansonsten ist es aber das beschriebene Gemeinwesen, getragen und geprägt durch eine erkennbare Haltung, welches wir initiieren und fördern wollen, um somit zu Kommunikation und sinnhafter nachhaltiger Auseinandersetzung beizutragen. Wir wünschen uns für die Zukunft weiter Unterstützung, Wohlwollen und notwendigerweise eine bessere finanzielle Grundlage. Auf jeden Fall sind wir kein bisschen amtsmüde.

Und last but not least wollen wir allen danken, die sich, in welcher Form auch immer, ehrenamtlich für das Fanprojekt und die Fans engagieren oder engagiert haben. Danke für zehn tolle Jahre.

Wir sind Eintracht Euer Fanprojekt