Sensationell stehen Eintrachts U19-Fußballer am 27. Mai im Finale um den DFB-Juniorenpokal in Berlin. Wie es dazu kam.
50 Jahre her, dass unsere Eintracht Deutscher Meister wurde – es ist auch 50 Jahre her, dass unsere Eintracht überhaupt zuletzt einen nationalen Titel gewann. Was der geschätzte BZund nB-Kollege Christoph Matthies neulich so beiläufig erwähnte, ist so erstaunlich wie richtig. Denn ohne dem NFV nahetreten zu wollen: Der Niedersachsenpokal mag in dunklen Regionalligazeiten zwar einer der wenigen Strohalme gewesen sein, um den Briefkopf etwas aufzuhübschen – ein Titel von Rang war das aber nicht. Doch ausgerechnet in diesem Jahr, in dem alles über die Meisterschaft von 67 redet, könnte endlich wieder ein Pokal von Rang nach Braunschweig wandern: Der DFBPokal. Wenn auch „nur“ in seiner Juniorenausgabe.
Doch diese ist nicht minder bedeutsam und erst recht nicht einfacher zu erreichen. Denn um überhaupt am DFB-Juniorenpokal teilnehmen zu können, muss eine U19-Mannschaft zunächst den jeweiligen Landespokal – in unserem Fall also der niedersachsenweit ausgetragene Conti-Cup – gewinnen. Ein Coup, das Eintracht trotz natürlich zuletzt stark professionallisierter Jugendarbeit angesichts der Konkurrenz aus Wolfsburg und Hannoi eher selten gelingt, grob geschätzt etwa alle fünf bis zehn Jahre. Und ist man über einen Sieg im Conti- Cup überhaupt erst beim DFBJuniorenpokal dabei, geht es knallhart weiter: K.O.-System wie beiden Großen, nur ohne Setzliste. Heißt: Es kann bereits in Runde eins gegen Teams mit den bundesweit besten Nachwuchsarbeiten gehen und dann – so ehrlich muss man sein – war für Eintracht in den vergangenen Jahren stets sehr schnell Schluss. Aber nicht so in dieser Saison!
Schon im Sommer vergangenen Jahres ballte mancher Eintracht-Fan verärgert die Faust, als er von dem Erstrundenlos unserer U19-Mannschaft erfuhr: Statt eines vielleicht eher leichterem Heimspiels ging es auswärts ran und das ausgerechnet bei RB Leipzig. Also jenem Verein, der heuschreckenartig auch im Jugendfußball mit Geld so ziemlich alles zu kaufen versucht, was irgendwie möglich ist. Ein Weiterkommen galt da als nahezu ausgeschlossen und damit schien mancher Fan auch hinter die Pokalteilnahme 2016/17 bereits wieder einen Harken zu machen – doch weit gefehlt! In hart erkämpften Spiel zwang Eintrachts U19 die RB-Kicker nach torlosen 90 Minuten in die Verlängerung und gewann schließlich sensationell mit 3:0 in Sachsen. Ein wahrer Paukenschlag!
Sicher überraschend in Runde zwei eingezogen, meinte es die Losfee danach etwas besser mit der Eintracht und bescherte ein Auswärtsspiel bei Astoria Walldorf, dessen erste Mannschaft nur in der viertklassigen Regionalliga kickt. Ein unberechenbarer aber nominell machbarer Gegner also, gegen den sich Eintracht auch keine Blöße gab: Sogar 4:0 hieß es hier nach 90 Minuten. Weiter also ins Viertelfinale, wo es erneut auf Reisen ging: Der MSV Duisburg hieß die nächste Hürde und langsam begann der eine oder andere Fan das Rechnen: Einen Sieg beim sicher unangenehmen MSV vorausgesetzt und es würde schon das Halbfinale winken. Und so fieberten im Dezember 2016 im Shuttlebus zwischen dem Karlsruher Wildparkstadion und dem dortigen Bahnhof eine ganze Reihe Fans am Handy-Liveticker aus Duisburg mit – das Pokalspiel war zeitgleich zum letzten Punktspiel der Eintracht-Profis beim KSC angesetzt worden. Und ganz wie bei den Profis stand es auch bei der U19 nach Spielende 0:0, so dass es erneut in die Verlängerung ging. 1:1 hieß es hier nach Schlusspfiff, so dass alle gebannt auf den Ticker zum Elfmeterschießen schauten. Und nach einigen Aktualisierungen und emotinalen Ausbrüchen später war es Gewissheit: 6:5-Sieg im Elfmeterschießen – Halbfinale, wir kommen!
Spätestens jetzt spekulierte natürlich jeder, der sich mit der U19 auseinandergesetzt hatte, auf ein Heimspiel im Halbfinale. Jena, Kaiserslautern und Köln waren noch im Topf, doch als hätte man es geahnt: Es ging wieder auf Reisen und das ausgerechnet zum wohl schwersten Gegner, dem 1. FC Köln. Etwa 30 Fans nahmen an einem grauen Samstagmorgen im März 2017 die Reise in die Domstadt trotzdem auf sich, wo bereits zur Anstoßzeit von 11 Uhr im Franz-Kremer-Stadion am Geißbockheim die letzte Etappe auf dem Weg nach Berlin erklommen werden sollte. Eine Ausgangslage, in der man zwischen Stolz auf das bisher Erreichte und natürlich dem Wunsch schwankte, nun auch nach Berlin zu wollen. Denn natürlich war und ist alleine die Pokalteilnahme schon ein Highlight für sich und dass es soweit gehen sollte, grenzte so sehr an eine Sensation, dass man auch damit schon verdammt zufrieden sein durfte. Aber Berlin, Finale? Wann gibt es so eine Chance wieder? Also ausgeblendet, dass mit Torhüter Yannik Bangsow und Ahmet Canbaz zwei U19-Stützen der Hinrunde zur U23 hochgezogen wurden und damit fehlten, und stattdessen Daumen gedrückt.
Für ein Jugendspiel überdurchschnittlich laut wurde in Köln supportet, was das Zeug hielt. Der FC hatte ebenfalls mobilisert, etwa 500 Zuschauer waren insgesamt anwesend und zum Intro begrüßte Geißbock Hennes persönlich die Spieler auf dem Platz. Die schienen von dem großen Bahnhof beeindruckt, gerieten früh in Rückstand und der Pokaltraum schien sein irgendwie auch logisches Ende gefunden zu haben. Doch irgendwie gelang das 1:1 und damit bekam Eintracht Selbstvertrauen. Zweikämpfe wurden engagiert geführt, Bälle erobert, Köln wirkte ratlos. Auf einmal erschien die Sensation möglich, Berlin greifbar nah. Verlängerung, Nervenkrieg, keine Tore – Elfmeterschießen! Ein Lotteriespiel, zu dem unter den Eintracht-Fans spontan die Idee entstand, den Gästeblock direkt hinter das Tor der Entscheidung zu verlagern und unseren Torwart anzuheißen. Und die Gegner natürlich zu verunsichern, klaro.
Wie entscheidend das nun auf den tatsächlichen Verlauf des Schießens war, vermag ich nicht zu sagen. NLZ-Chef Oliver Heine erklärte später in der BZ, insbesondere auch uns Fans sei es zu verdanken gewesen, dass die Spieler in dieser Nervenschlacht nicht eben jene Nerven verloren. Ein schönes Kompliment, an dem wohl auch ein Funken Wahrheit ist: Von den ersten fünf Schützen zielten je einer daneben, es gab also das 1-gegen-1-Drama. Und der Kölner Schütze, im Vorfeld bereits durchaus Verursacher und Zielscheibe mancher Provokation der Eintracht-Fans, verschoss. Traf jetzt Eintracht, war Berlin erreicht und so hing man im Zaun des kleinen Amateurstadions und bangte, ehe der große Jubel losbrach: Getroffen, Finale! Wow!
Die Jungs feierten noch mit Humba und Abklatschen, ihre Begeisterung war und ist ehrlich. Für sie ist es das erste große Highlight der Karriere und angesichts der Bedeutung des Wettbewerbs vielleicht auch sogar schon eine der größten Titelchancen, die sie in ihrem Fußballerleben habenwerden. Am Samstag nach Himmelfahrt, 27. Mai, ertönt um 11 Uhr der Anstoß zum Finale gegen Carl-Zeiß Jena im Amateurstadion auf dem Olympiagelände in Berlin. Sport1 wird live übertragen, etwa 500 Eintracht- Fans die Reise mitantreten – so zumindest die Tendenz nach aktuellem Stand des Vorverkaufs. Mehr dürfen es gerne werden, Karten sind im Fanshop im Kubus noch vorhanden. Also auf, die Jungs haben jede Unterstützung verdient und es kann wahrhaft ein nächstes Kapitel Eintracht-Geschichte geschrieben werden. Das Kapitel vom ersten Erfolg in einem DFB-Wettbewerb sein 1967.